Amalthea Ventures Blog
Ja super! Oder Nein!

Die Bewerberin schien perfekt. Sie hatte das Telefoninterview und das Gespräch mit der Personalabteilung schon hinter sich, alle waren begeistert. Das Gespräch mit mir war nur noch Formsache. Sollte ich sie auch einstellen wollen, stünde nur noch die Selbstpräsentation vor dem Team an. Wenn alles gut lief, könnte sie als neue Mitarbeiterin nächsten Monat anfangen und die wichtige Stelle als Projektmanagerin wäre besetzt. Bingo. Mitarbeiterauswahl läuft.

Das Gespräch verlief super, der Lebenslauf war geradezu perfekt. Ich ging meinen Gesprächsleitfaden durch und stellte als letztes noch eine Frage zu den Hobbies. Mehr aus Interesse, weil ich das Wort noch nie gehört hatte, das da neben Lesen und Reisen stand. Es klang japanisch, nach einer Kampfsportart oder einem speziellen Essen. Auf die Frage, was sich denn dahinter verbirgt, stockte die Kandidatin. «Keine Ahnung, wo steht das?», fragte sie. Ich zeigte es ihr. Sie schaute ungläubig auf ihren Lebenslauf, brauchte einige Zeit, um sich zu orientieren – und mir wurde schlagartig klar, dass wir uns die ganze Zeit über einen gefälschten, oder zumindest heftig abgeschriebenen und nicht authentischen Lebenslauf unterhalten hatten.

Warum ein Kandidat passt, ist klar.

Es gibt so viele Hinweise darauf, dass ein Kandidat passen könnte. Für die richtige Entscheidung, sind alle diese Hinweise aber nur bedingt oder gar nicht hilfreich:

  • Der Lebenslauf passt. Die einschlägigen Erfahrungen sind da, es gibt keine Lücken im Lebenslauf. 
  • Das Auftreten passt. Der Kandidat erscheint gepflegt, ist eloquent und weiß sich zu benehmen. Er erscheint pünktlich, das Gespräch ist angenehm und verläuft positiv.
  • Befangenheit aufgrund einer Ähnlichkeit (Similarity bias). Der Kandidat erinnert mich an jemanden, den ich kenne. Vielleicht ähnelt er sogar mir selbst. Das kann rein äußerlich sein, sich auf ein Studium an der gleichen Universität oder eine ähnliche Vergangenheit in ein und demselben Unternehmen beziehen. Auch bei Ähnlichkeiten mit eigenen Mitarbeitern drängen sich Gedanken auf wie: „Die Kandidatin sieht aus wie eine gute Mitarbeiterin an einem anderen Standort, sie muss also auch gut sein“. Das ist typisches schnelles Denken nach Kahnemann (1). Gut, wenn wir vor einer existenziellen Bedrohung stehen und schnell handeln müssen, aber schlecht, wenn wir langfristig gute Entscheidungen treffen wollen.
  • Die Stelle muss endlich besetzt werden. Die Stelle ist seit ein paar Monaten nicht besetzt. Die Aufgaben liegen brach oder ein anderer Mitarbeiter muss sie zusätzlich übernehmen. Wäre doch so schön, wenn das geregelt wäre.

Nach Gründen suchen, warum die Kandidatin nicht passt.

Ich möchte nur Mitarbeiter im Unternehmen haben, die wirklich zu uns passen. Das bedeutet nicht, dass alle gleich sein müssen. Im Gegenteil. Alle, die dabei sind, treiben das Unternehmen auf ihre Weise in die gleiche Richtung voran, bringen sich ein und integrieren sich ins Team. 

Also gibt es zwei Gründe dafür, mich von einem Mitarbeiter zu trennen;:

  • er bringt keine Ergebnisse,
  • er ist schlecht fürs Team.

Im Umkehrschluss suche ich ausschließlich nach Mitarbeitern, die Ergebnisse liefern und dabei gut für das Team sind. 

Ob jemand Ergebnisse liefern kann, lässt sich anhand des Lebenslaufs herausfinden. Wie? Indem ich gezielt frage, welche Entscheidungen der Kandidat im Laufe seines Berufslebens getroffen hat, wie und warum er sie getroffen hat (2). Wenn ich hier eine Schwäche sehe, ist das schon ein deutlicher Ablehnungsgrund.

Hell, yes! Oder definitiv Nein!

Ob jemand gut fürs Team ist, lässt sich ebenfalls herausfinden. Meine Tipps für die richtige Mitarbeiterauswahl:

  • Ja, super! In meinen 15 Jahren als Unternehmer waren die besten Personalentscheidungen diejenigen, bei denen wir die Entscheidung zwischen „Ja, super!“ oder „Nein!“ getroffen haben. Alle Entscheidungen, die auf Aussagen wie „Das kann schon passen, wenn sie sich noch entwickelt“ oder „Er hat ja auch wenig Kundenkontakt“ basierten, waren zum Scheitern verurteilt. Keine Kompromisse!
  • Vetorecht für alle. Alle Bewerber für die Zentrale oder das dezentrale Management durften sich vor 10-12 Mitarbeitern selbst präsentieren. Zum Zeitpunkt der Präsentation waren alle wichtigen Punkte schon abgefragt, der Lebenslauf überprüft, die darin versteckten Entscheidungen abgefragt und eigentlich alles klar. Trotzdem galt: Wenn nach der Selbstpräsentation ein Veto kam, war der Kandidat draußen.
  • Inkonsistenzen und Widersprüche. Ein japanisches Hobby im Lebenslauf, das der Kandidatin unbekannt ist? Kommt vor. Deshalb: Fokus auf die Fakten, die nicht klar sind, alle Unklarheiten gründlich Hinterfragen und den einen Grund suchen, um jemanden nicht einzustellen. Gotcha!
  • Probezeit nutzen. Einen Fußballspieler muss man auf dem Platz sehen. Wenn mir ein Stürmer im Vorstellungsgespräch erzählt, dass er unglaublich torgefährlich ist, kann ich mir die letzten Spiele anschauen und das überprüfen. Bei einem Mitarbeiter im Unternehmen geht das im Normalfall nicht. Probezeit nutzen, genau beobachten und nach der Probezeit noch mal die gleiche Frage stellen: Würde ich ihn begeistert einstellen? Hell, yes! Oder definitiv Nein!

Mal ganz offen: Würden Sie alle Ihre Mitarbeiter erneut begeistert einstellen?

(1) Daniel Kahneman „Thinking, Fast and Slow“

(2) Geoff Smart and Randy Street „Who: The A Method for Hiring“

Bildnachweis: BreakingTheWalls / photocase.de

___________________

Christian Kohlhof ist der MentorCoach. Sein Purpose ist es Unternehmern zu helfen mit ihren schnell wachsenden Unternehmen ihre Ziele zu erreichen – mit Hilfe ihrer Mitarbeiter.